Wir haben ihn zum reichsten Mann der Welt gemacht

Symbolbild - Foto: Gerd Altmann / Pixabay

Während Amazon in der Corona-Krise Milliarden-Zuwächse verbuchen konnte und Firmenchef Jeff Bezos inzwischen der reichste Mann der Welt ist, müssen wir um unsere kleinen individuellen Einzelhändler in der Stadt bangen.

Dass der zweite Lockdown noch vor Weihnachten kommen würde, war absehbar. Dennoch hatten sich viele nicht vorbereitet und frühzeitig ihre Weihnachtsgeschenke für Freunde, Partner und Familie besorgt. Profitiert haben davon einmal mehr die Online-Händler, allen voran Amazon. Im zweiten Quartal 2020 erzielte Amazon eine Umsatzsteigerung von 40 Prozent, wie das Handelsblatt berichtete. Tröstlich für unsere lokalen Händler scheint da nur die Nachricht, dass auch Amazon – zumindest im Frühjahr – laut Tagesschau deutlich höhere Kosten hatte.

Aber was macht das mit unseren Städten?
Werden wir – bei all unserer Sehnsucht nach mehr persönlicher Begegnung – im Sommer 2021 oder im Jahr 2022 noch belebte Innenstädte vorfinden, oder wird der Leerstand nach Corona nie geahnte Ausmaße erreichen?

Ein unscheinbarer Spion? – Foto: hamburgfinn / Pixabay

Was vor vielen Jahren mit dem Versand von Büchern anfing, greift inzwischen in fast alle Handelssparten. Und während Alexa in Millionen Haushalten fröhlich die Kommunikation mithört (Bericht in Kontraste), strömen Corona-bedingt immer neue Kunden zu Amazon. Viele legen sich auch den kleinen bequemen Sprachassistenten zu, der mit den Worten ‘Alexa’, ‘Echo’ oder ‘Computer’ aktiviert wird. Den wenigsten Nutzer ist klar, dass die Aufnahme durch Fehlinterpretationen des Geräts aktiviert werden kann und so auch Gespräche mit Besuchern oder von Kindern und deren Spielkameraden mitgeschnitten werden, wie einem Artikel bei Netzpolitik.org zu entnehmen ist.

Amazons Umsätze wachsen. Dabei ist längst nicht mehr alles, was man bei Amazon als ‘Schnäppchen’ sieht, wirklich billiger als im Einzelhandel vor Ort. Unsere ‘Bequemlichkeit’ bezahlen wir immer öfter unreflektiert mit Preisen die auch schon einmal über dem Preis des lokalen Handels liegen.

Erfahrungen eines Käufers

“Ich muss zugeben, dass ich in den vergangenen Jahren oft ‘mal schnell’ etwas bei Amazon bestellt habe, aber ich werde zunehmend kritischer”, erzählt und Lutz Wulfestieg. Dabei waren es zuerst gar nicht das Bekanntwerden schlechter Arbeitsbedingungen beim Online-Giganten oder andere Negativnachrichten, die ihn kritisch werden ließen. Die hätten dann später aber mit dafür gesorgt, dass er sich inzwischen dreimal überlege, ob er einen Artikel bei Amazon kauft. “Wenn ich mich am Ende doch dazu entschließe, dann nur, weil ich den Artikel nirgendwo anders gefunden habe”, erklärt er.

Lokaler Handel preiswerter als Amazon

Der Geburtstagswunsch seiner Frau habe ihm erstmals vor Augen geführt, dass das vermeintlich günstige Angebot bei Amazon oft gar nicht so günstig ist. Mobile Boxen wünschte sie sich. Es sollten aber bitte die einer bestimmten Marke sein. Günstigster Preis zu diesem Zeitpunkt bei Amazon: 369 Euro. Das war deutlich unter der unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers. Dennoch wollte er die Boxen wenigstens einmal ‘live’ erleben und ging in den örtlichen Fachhandel. Wer hätte es gedacht: Der Ladenpreis betrug zu diesem Zeitpunkt 339 Euro. Keine Frage, dass er sie am Ende auch dort kaufte.

Ein ‘Warehouse-Deal’ mit vielen Ärgernissen

Aber so richtig böse auf die Nase gefallen ist er mit einem Kauf bei Amazon-Warehouse-Deals. Eigentlich sollte es nur einer netter Spaß sein und im besten Fall ein paar lustige Katzenvideos hervorbringen. Wie würden die beiden Kater zu Hause auf eine Mikro-Drohne reagieren? Würden sie sie fangen, zum Absturz bringen?

Illustration Alexander Lesnitsky / Pixabay

Zum Lieferumfang sollten Ersatzflügel und mehrere Ersatzakkus gehören. Preismindernd waren optische Mängel und ein fehlendes Handbuch angegeben. “Das fand ich für den Preis in Ordnung, aber dann erlebte ich die erste Überraschung schon beim Auspacken”, erklärt Lutz Wulfestieg. Es fehlte nicht nur das Handbuch, auch die Ersatzflügel waren nicht im Paket. Die nächste Enttäuschung hatte dann erst einmal wenig mit Amazon zu tun: Die beiden Kater nahmen bei Starten der Mikro-Drohne aufgrund des Geräusch sofort Reißaus und hatten gar nicht vor sich neugierig mit dem fliegenden Ungetüm zu befassen. Für die fehlenden Ersatzflügel gab es eine Gutschrift, aber dann musste Wulfestieg zu allem Ärger auch noch feststellen, dass sie die mitgelieferten Akkus überhaupt nicht aufladen ließen. Er schickte schließlich die Bestellung zurück. Als er dann die übliche Benachrichtigung ‘Wollen Sie ihren Kauf bei Amazon bewerten’ erhielt, schrieb er seine Erfahrung in die Bewertung und erlebte die nächste Überraschung: Amazon lehnte die Bewertung ab und veröffentlichte sie nicht.

Hinter den Amazon-Kulissen

Wer sich ein wenig näher mit Amazon befasst, trifft auf eine Vielzahl von Nachrichten, die den Online-Giganten nicht sehr nett dastehen lassen. Von schlechten Arbeitsbedingungen und Überwachung wird berichtet. Dass Amazon auch Kritiker überwacht, mag dem einen oder anderen noch neu sein. Der WDR berichtete kürzlich in einem Bericht mit Digitalexperten Jörg Schieb darüber.

Netzpolitik.org berichtete am 1. September 2020 über die Arbeitsbedingungen und Überwachung von Amazon-Mitarbeitern in den USA. Dass der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) Amazon-Chef Jeff Bezos zum ‘schlechtesten Arbeitgeber der Welt’ kürte, wird den Mann, der die Bloomberg-Liste der reichsten Menschen dieser Welt anführt, wahrscheinlich wenig stören. Ganz so schlecht, wie in den USA geht es den Amazon-Mitarbeitern zwar aufgrund des strengeren Arbeitsrechts noch nicht, aber aufgrund des massiven Wachstums – so dem Artikel bei Netzpolitik.org zu entnehmen – gäbe es auch bei uns Grund zur Besorgnis. So wird IGB-Generalsekretärin Sharan Burrow im Artikel wie folgt zitiert: „Wir sehen das in Deutschland, in Spanien, in Großbritannien, Italien, Polen und den USA – überall expandiert Amazon rapide, aber die Arbeitsbedingungen sind schockierend.“ Ein Bericht der Tagesschau thematisiert die Arbeitsbedingungen von Amazon-Mitarbeitern in Deutschland.

Intransparenz auf den Angebotsseiten

Wer sich wirklich dafür interessiert, woher die bei Amazon bestellte Ware eigentlich kommt und ob sie nun von Amazon direkt geliefert wird oder ein Marktplace-Händler der Lieferant ist, muss schon genauer hinschauen.

Vielleicht ist es dem einen oder anderen unserer Leser auch schon einmal passiert: Man braucht einen neuen Drucker und der Preis ist gerade echt heiß. Dann trifft die Ware ein und siehe da: Rechnung und Lieferung kommen aus Italien. Auf der Angebotsseite ist das in der Regel nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Genauso wenig wie die zahlreichen Angebote, die ‘direkt aus China’ kommen. Wer eine Rechnung benötigt, muss oft erst hinterher haken, damit er sie auch bekommt.

Umweltschutz und Amazon

Wenn die Ware, die ich bestelle erst weit ‘anreisen’ muss, erübrigt sich die Frage danach, wie umweltfreundlich das bequeme Bestellen über Amazon eigentlich ist. Aber auch die Lieferung innerhalb Deutschlands mit den zunehmenden Lieferdiensten wirkt sich in der Umweltbilanz ausgesprochen schlecht aus.

Foto: josemiguels / Pixabay

Wie auch bei anderen Dingen, geht Amazon in Sachen Lieferung inzwischen eigene Wege. Seit einiger Zeit kommen Amazon-Lieferungen nicht mehr mit den bekannten Paketdiensten, sondern von einem Amazon-eigenen Lieferdienst. Das verändert die Arbeitsbedingungen der Fahrer und das verstopft unsere stark belasteten Innenstädte mit zusätzlichen Lieferfahrzeugen. E-Fahrzeuge, wie sie zumindest von DHL teilweise schon eingesetzt werden, sind bisher unter den Amazon-Lieferfahrzeugen nicht zu bemerken.

Aber Smile-Amazon tut doch Gutes für gemeinnützige Organisationen?

Wer Charity-Shopping-Portale wie etwa Gooding kennt und seit längerem nutzt, erinnert sich vielleicht, dass Amazon sich auch hier vor einigen Jahren zurückgezogen hat, um einen eigenen, für das Unternehmen deutlich preiswerteren Weg, zu gehen. Während teilnehmende Unternehmen über Gooding mehrere Prozent des Umsatzes an gemeinnützige Unternehmen spenden, gibt es inzwischen beim Amazon-eigenen Charity-Shopping ‘Smile Amazon’ nur noch 0,5 Prozent vom Umsatz für gemeinnützige Organisationen.

Fair-Kaufen …

Liebe Leser,
viele unserer lokalen Händler bieten auch im Lockdown die Möglichkeit entweder online oder telefonisch zu bestellen und die Ware entweder abzuholen oder sich sogar liefern zu lassen. Die Händler, die sich bei uns gemeldet haben, haben wir schon im Frühjahr für Euch in unsere Corona-Lieferliste aufgenommen. (An die Händler: Die Aufnahme ist immer noch möglich, meldet Euch einfach bei uns in der Redaktion.)
Es ist tatsächlich gar nicht so viel Aufwand lokal nach passenden Produkten zu suchen und sie auch schnell zu erhalten. Versucht’s einfach mal. Dann klappt es nach Corona auch mit der belebten Innenstadt, in der wir uns hoffentlich alle wiedersehen und uns freuen.
Eure Redaktion von erkrath.jetzt

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