Podiumsdiskussion an der Sportarena

Jörg Schintze (links) und Peter Knitsch (rechts) stellen sich den Fragen der Moderatorin Stephanie Kowalewski Foto: Paul Esser

Bereits vor der Ausstrahlung der gestrigen Wahlarena der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf hat diese in Erkrath zu Diskussionen geführt.

Die Streaming-Veranstaltung, die als Podiumsdiskussion der vorhandenen Bürgermeisterkandidaten geplant wurde, entsprach nicht dem Demokratieverständnis des amtierenden Bürgermeistern Christoph Schultz (CDU), der sich gerne eine Einladung für alle Vertreter der Ratsfraktionen zur Fragerunde gewünscht hätte. Und so ließen sich letztlich gestern Abend nur zwei Kandidaten in der Wahlarena im Hotel Tulip Inn in Düsseldorf zählen: Peter Knitsch (Bündis 90/ Die Grünen) sowie Jörg Schintze (SPD).

Bevor sich die Kontrahenten in einem spannenden Wortgefecht den Fragen der Radio-Journalistin Stephanie Kowalewski stellen durften, war es zunächst IHK-Hautgeschäftsführer Gregor Berghausen, der die ersten Stream-Minuten dazu nutze, die Wichtigkeit der Wirtschaft für eine Kommune zu verdeutlichen. Dabei forderte dieser primär das direkte Miteinander zwischen Stadtspitze und Wirtschaft. „Man muss mehr miteinander ins Gespräch kommen“, so die mahnenden Worte Berghausens, der zusätzlich die Veränderungen durch die aktuelle Corona-Pandemie verdeutlichte. „Die Digitalisierung muss vorangetrieben werden. Zudem überprüfen einige Unternehmen bereits ihre Lieferketten. Eine Produktion in Europa rückt wieder in den Fokus.“

Die Struktur der Veranstaltung, die sich auch bei den zuvor ausgestrahlten Wahlarenen der Städte Velbert, Wülfrath, Monheim und Düsseldorf bewährt hat, wurde auch für Erkrath umgesetzt. In vier Themenblöcken (Stadtentwicklung, Handelsstandorte mit Stadtzentren, Verwaltung und Digitalisierung sowie „bunte“ Abschlussfragen) wurden zuvor eingereichte Fragen der Bürger, aber auch der Unternehmer einsortiert.  

Stadtentwicklung

Und so befanden sich Jörg Schintze (56 Jahre/ Rechtsanwalt) und Peter Knitsch (59 Jahre/ Grünen-Ratsmitglied/ Rechtanwalt) schnell mit der Frage um fehlende Gewerbeflächen betraut. „Wir benötigen ein neues Flächenmanagement“, so Schintze, der noch vor der Sendung das Gewerbegebiet Unterfeldhaus abgefahren ist. „Da stehen viele Immobilienschilder, letztlich bin ich mir aber nicht sicher, ob wir dort tatsächlich genügend Leerstand haben.“ Für den ehemaligen Möbelhaus-Standort (Flamme-Möbel) möchte Jörg Schintze zügige Nachfolger finden, diesen Komplex vielleicht mit Start-Up-Unternehmen füllen. Peter Knitsch, der sich auch in der Historie schon für die Nutzung von bereits vorhandenen Flächen ausgesprochen hat, verdeutlichte dies nochmals. „Laut Verwaltung stehen 20.000 Quadratmeter Bürofläche und nochmals 20.000 Quadratmeter Hallenfläche leer. Erkrath ist schon jetzt zu rund 40 Prozent durch kommunale Siedlungen und Verkehrsflächen versiegelt.“ Ebenso konträr war die Meinung der beiden Kandidaten um das geplante Gewerbegebiet auf der Neanderhöhe. Während Jörg Schintze die Notwendigkeit der Gewerbeansiedlung für den städtischen Haushalt unterstrich und den Lückenschluss zwischen bereits vorhandenen Gewerbeflächen fokussieren möchte, ist Knitsch massiv gegen die Bebauung. „Es gibt genügend Alternativen in Erkrath“, so Knitsch, der den geplante Erbpachtvorschlag der Bürgerinitiative als „Notlösung“ betitelt. „So hat die Stadt Erkrath zumindest das Hoheitsrecht über die Fläche.“

Weiter ging es mit der Frage um die Initiierung einer möglichen Immobilien- und Standortgesellschaft, die sich in Unterfeldhaus aus Bürgern, Eigentümern, Politik und Verwaltung zusammensetzen könnte. Jörg Schintze sieht die Gründung einer Gesellschaft problembehaftet. „Man kann sich auch so an einen Tisch setzen und miteinander sprechen“, so seine Aussage. Ob die Stadt letztlich als Immobilienhändler in Erscheinung treten, Flächen einkaufen und mit Gewinn verkaufen sollte, sieht Schintze ebenfalls kritisch. „Da könnte die Verwaltung kommunalrechtliche Probleme bekommen“, so seine Stellungnahme. Dabei stehen im Haushalt der Stadt seit Jahren Gelder für Flächenankäufe bereit. „Die aber nicht abgerufen werden“, weiß Peter Knitsch, der sich die Initialisierung einer solchen Gesellschaft durchaus vorstellen könnte. „Wir müssen gemeinsam Ideen entwickeln, in einen ständigen Dialog treten und die vorhandenen Gewerbeimmobilien attraktiveren.“

Mit der Frage nach bezahlbarem Wohnraum stieg Stephanie Kowalewski direkt in das nächste, für Erkrath schwerwiegende Thema ein. Beide Kandidaten sehen in dem Neubauvorhaben am Wimmersberg Zukunftspotential. „Zudem sollte die Möglichkeit geprüft werden, Wohnraum im Bestand zu schaffen“, so Jörg Schintzes Meinung. „Dabei sollte vor allem im Innenstadtbereich eine Verdichtung angestrebt werden, um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen“, ergänzte Knitsch, der gerne die Politik in die Pflicht nehmen möchte, bei Investoren klare Vorgaben zu fordern, um bei Neubauten sozial und öffentlich geförderten Wohnraum in die Planungen zu implementieren. Ein konkretes Beispiel liefert er in Bezug auf den Investor Catella, der nach Knitschs Meinung zu wenige städtische Interessen am Wimmersberg verfolgt.

v.l.n.r. Moderatorin Stephanie Kowalewski, IHK Hauptgeschäftsführer Gregor Berghausen sowie die Bürgermeisterkandidaten Jörg Schintze und Peter Knitsch
Foto: Paul Esser

Stadtteilzentren

Im nächsten Themenblock ist sich Jörg Schintze sicher, dass die Stadtteilzentren generell zu „mau“ angenommen werden. Das veraltete Einzelhandelskonzept (12 Jahre alt) sollte laut dem Politiker dringend überholt und fortgeschrieben werden. „Die Bahnstraße hat kaum interessante Geschäfte, das ist bedrückend“, ist sich Schintze sicher, der sich auf Dauer interessante Stadtzentren wünscht und dies nicht zwingend an Kaufmagneten ausmacht. „Viel mehr muss man die Menschen zusammenbringen, vielleicht über die Anpassung von Mieten sprechen und Werbegemeinschaften fördern“, ist sich Schintze sicher, der die Pflicht jedoch nicht bei der Verwaltung sieht. „Hier kann die Stadt nur anschieben.“ Für Peter Knitsch schöpft die Stadt Erkrath ihr Potential im Bereich Einzelhandel nicht aus. „Von 114 Prozent Kaufkraft binden wir nur 67 Prozent an unsere Stadt. Das muss ausgebaut werden“, ist sich der Grünen-Politiker sicher, der die Aufenthaltsqualität in den Zentren, aber auch in den Sub-Zentren (Millrath, Sandheide) stärken will.

Einigkeit herrschte in Bezug auf das Thema Radverkehr. „Das Radverkehrsnetz ist renovierungsbedürftig“, so der SPD-Politiker, der diesbezüglich Unterstützung von seinem Kontrahenten erhält. „Das Radverkehrskonzept ist schon wieder fünf Jahre alt, viele Maßnahmen sind bisher nicht umgesetzt werden. Hier hat die Verwaltung bisher die falschen Prioritäten gesetzt“, ist sich Peter Knitsch sicher.

Stadtverwaltung und Digitalisierung

Einen Großteil der Bürgerservices möchten Peter Knitsch und Jörg Schintze künftig auf dem digitalen Weg bringen. „Bund und Land lassen Kommunen diesbezüglich im Regen stehen“, gibt Schintze die Schuld an Dritte weiter und fordert gleichzeitig die Wirtschaft auf, klare Forderungen zu stellen. „Wenn die Verwaltung weiß was gefordert wird, kann auch dementsprechend gehandelt werden“, so seine Worte. Für Peter Knitsch wiegt das persönliche Wort hingegen ebenso schwer. „Die Digitalisierung ist wichtig, sollte aber nicht vergöttert werden. Der menschliche Kontakt ist ebenso wichtig.“

Und was sagen die Herren zu den aktuellen Gewerbesteuern? „Die sollten nicht erhöht werden, das wäre das falsche Signal“, so der SPD-Kandidat. Peter Knitsch sieht das Problem übrigens nicht auf der Einnahmenseite. „Erkrath hat eine Steuereinnahme von 1.800 Euro pro Kopf, das befördert uns auf die fordersten Einnahmeplätze in NRW. Wir haben hingegen ein Ausgabenproblem“, erklärt Peter Knitsch, der seine Aussage beispielsweise mit explodierenden Kosten für die neue Feuer- und Rettungswache argumentiert. „Jetzt möchte der amtierende Bürgermeister auch noch ein neues Rathaus bauen. Ich würde das Geld lieber in Bildung und Stadtentwicklung investieren.“ Eine Meinung, die auch Jörg Schintze vertritt.

Abschlussrunde

Zum Schluss wurde es für die beiden Bürgermeisterkandidaten persönlich. „Was hat ihnen an ihrem Kontrahenten gefallen“, wollte Stephanie Kowalewski abschließend wissen. „Der Lebenslauf und die politischen Stationen sind sehr imposant“, zeigte sich Jörg Schintze von seinem Gegenüber begeistert. Knitsch hingegen lobte die gute Vorbereitung seines Kandidaten-Kommilitonen. „Obwohl er nicht wie ich im Stadtrat aktiv ist, hat er sich auf das heutige Gespräch sehr gut vorbereitet.“ Negative Aspekte gab es auf beiden Seiten kaum. „Eigentlich sind wir uns in vielen Themenbereichen sehr nah“, war sich Jörg Schintze sicher. Peter Knitsch wünschte sich von der SPD hingegen mehr Beachtung der drohenden Klimakrise.

Wissenswertes: Die Erkrather IHK Wahlarena lässt sich auf der Internetseite der IHK Düsseldorf auch nachträglich angucken.

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