“Mir fehlen die Umarmungen”

Dank einer großen Loungecke können sich Angehörige und Bewohner auch im Außenbereich treffen Foto: TB

Yasmine wohnt im Hephata-Haus am Schellenberg in Mettmann. Die 35-jährige Erkratherin lebt dort gemeinsam mit fünf weiteren Frauen und zehn Männern in einer Wohngemeinschaft zusammen.

Mit Beginn der Pandemie hat sich auch das Leben der jungen Frau grundlegend verändert. „Ich würde so gerne mal wieder in die Stadt ein Eis essen, darf es aber nicht“, berichtet Yasmine. „Die Gefahr, dass ich mich anstecke, ist zu groß.“ Denn Yasmine gehört mit einer Herzkrankheit zur Risikogruppe. Und daher macht sie, ebenso wie alle anderen Bewohner, seit mittlerweile über 90 Tagen „Urlaub am Schellenberg“. So hat Einrichtungsleiterin Melanie Rice die Corona-Pause kurzerhand genannt. „Viele unserer Bewohner haben kein richtiges Zeitempfinden und daher lässt sich der aktuelle Zustand sehr gut mit einem längeren Urlaub beschreiben.“

Soziale Kontakte auf ein Minimum reduzieren

Als die Virus-Gefahr immer näher rückte, hat Melanie Rice schnell gehandelt. Die tägliche Arbeit in den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen wurde kurzerhand gestrichen. Und auch das 14-köpfige Mitarbeiterteam hat sich schnell auf die neuen Gegebenheiten eingestellt. „Unser Geschäftsführer hat darum gebeten, dass wir unsere privaten sozialen Kontakte möglichst gering halten, damit wir den Virus nicht ins Haus tragen“, erinnert sich die Einrichtungsleiterin, die sich diesbezüglich auf ihr Team verlassen kann.

Auch Marion Kremerius, Behindertenbeauftragte der Stadt Erkrath und Yasmines Mutter, ist für die schnelle Reaktion des Einrichtungsteams unendlich dankbar. „Ich habe immer das Gefühl gehabt, dass meine Tochter hier gut aufgehoben ist. Diese Krisensituation hat mich nur in meinem Empfinden bestätigt.“ Auch für die Angehörigen ist seit Ausbruch der Pandemie eine schwere Zeit angebrochen. Obwohl das Hephata-Haus eine gemütliche Lounge im Außenbereich hat, die in der Vergangenheit durch Spenden aus Erkrather Veranstaltungen finanziert werden konnte, fehlen doch die innigen Umarmungen. „Dass ich meine Mutter nicht fest in den Arm nehmen darf, das ist schon schwer“, verrät Yasmine und blickt dabei in mindestens ebenso traurige Augen ihrer Mutter.

Ein Tanz zur Begrüßung

Popo-Wackeln statt Händeschütteln. Foto: TB

Dafür hat sich das Damen-Duo einen „sicheren“ Alternativtanz überlegt, der seitdem zum Begrüßungs- und Abschiedsritual wurde. „Entstanden ist dieser Tanz aus Bildern, die wir im Haus aufgehängt haben, um Alternativen zum Händeschütteln aufzuzeigen“, erinnert sich Melanie Rice. „Die Bewohner konnten sich nicht entscheiden und so wurde kurzerhand ein Tanz aus allen Begrüßungsmöglichkeiten kreiert.“ Die Einrichtungsleiterin, die das Haus mit konzipierte und 2005 eröffnete, zieht trotz der anhaltenden Corona-Gefahr positive Schlüsse aus den letzten Wochen. „Wir haben sehr viel Zeit füreinander gehabt“, ist sie sich sicher. „Die Bewohner mussten nicht schon um sechs Uhr aufstehen, um zur Arbeit zu fahren. Wir konnten den Tag gemeinsam und in Ruhe starten.“ Selbst die Dienstplanstruktur wurde umgestrickt, damit mehr Zeit in den Abendstunden für Filmnächte oder gemütliche Spielabende blieb.

Zeit gab es genügend. Und so wurde auch das heimische Hochbeet neu bepflanzt, wie Yasmine ihrer Mutter Marion Kremerius stolz zeigt
Foto: Tanja Bamme

Und noch immer ist der Alltag nicht wieder eingekehrt. „Bisher gehen die Bewohner noch nicht wieder in die Werkstätten, obwohl diese bereits für die ersten Gruppen wieder geöffnet sind“, berichtet Melanie Rice, die zudem auf die Unterstützung von drei Werkstattmitarbeiter in den vergangenen Wochen zählen konnte. „Uns wurde Werkstattarbeit in die Einrichtung geliefert und aus dem Partykeller ist eine kleine Werkstatt entstanden. Das hat gut funktioniert.“

Hoffnungsvoll blickt Yasmine in die Zukunft. „Ich freue mich jetzt schon auf unser tolles Weihnachtsfest. Da kocht das Team für uns Bewohner ein Dreigang-Menü. Es wäre schade, wenn das Fest nicht stattfinden könnte.“

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