Hupen statt klatschen

Während die Poetry Slammer auf der Bühne stehen, sieht das Publikum sie zusätzlich auf der Leinwand. Foto: LW

Die Zuschauer hinter Autoglas, Hupkonzert als Applaus und Abstimmungen mit Warnblinkern. Poetry Slam im Autokino war auch für die Künstler eine Premiere.

Die Moderation übernahm die Wülfrather Poetry Slam-Legende Jan Schmidt, der selbst bereits mehrfach an den deutschsprachigen Meisterschaften teilgenommen hat. Kurz erklärte er die Regeln des Poetry Slam. Alle vorgetragenen Texte müssen selbst geschrieben sein und ein Zeitlimit einhalten. Applaudieren funktioniert im Autokino durch Hupen. Die Bewertung des jeweiligen Vortrags wird anhand der eingeschalteten Warnblinker gezählt. “Überlicherweise gibt es nach dem ersten Durchgang eine Pause, aber das macht ja hier keinen Sinn. Ihr dürft je eh nicht aus dem Auto raus, außer zum Pinkeln”, ging er schmunzelnd auf die besonderen Bedingungen ein. Dann kündigte er den ersten Poetry Slammer Jean-Philippe Kindler aus Bochum an. Kindler ist deutschsprachiger Meister und Kabarettpreisträger. “Willkommen bei der Anti-Greta-Thunberg-Demo oder ‘je suis SUV'”, spielte Jan Schmidt zur Begrüßung mit den Worten und dem besonderen Format des Poetry Slam im Autokino.

Mit “Wenn Gedanken gedenken zu denken” bewies Kindler dann gleich auch in seinem ersten Beitrag, dass er nicht umsonst deutschsprachiger Meister geworden ist. Wortgewandt beschrieb er wie der Gedanke im Gehirn seinen Weg sucht. Sein Vortrag ließ eine Ahnung davon entstehen, wie es sein muss, wenn man versucht schnell hintereinander fehlerfrei mehrere Zungenbrecher vorzutragen. Er endete mit der Liebe zu Sprache und die sprach mit jeder Zeile aus seinem gesamten Vortrag. Hupend honorierte das Publikum die Leistung und mit 52 Punkten in der “Warnblinker-Abstimmung”, legte er in der Wertung gut vor.

Jean-Philippe Kindler aus Bochum. – Foto: Lutz Wulfestieg

Es folgte Luca Swieter aus Köln. “Luca ist extra mit ein Leihwagen hergekommen. Ich weiß ja nicht, ob sich das am Ende lohnt”, moderierte Jan Schmidt die Poetry Slammerin an, die direkt anknüpfte “Ich bin froh wieder auf der Bühne zu stehen. Ich hab überlegt was für einen Text ich wählen könnte, kann mir aber nicht vorstellen etwas zu machen, dass nicht davon handelt”, begann sie und irgendwie drehte sich ihr Text dann natürlich doch darum, um den seltsam veränderten Alltag. Im ‘Windschatten’ von Jean-Philippe Kindler konnte ihr spritziger Vortrag aber dann doch nur 37 Punkte erlangen.

Luca Swieter aus Köln. Foto: Lutz Wulfestieg

Morgaine Prinz aus Düsseldorf Text handelte Tragik-schwanger davon Dinge auszusprechen, die andere nicht aussprechen, davon, was sie hätte sein können, müssen, wenn sie hätte sein dürfen. “Es ist der Verlust dieser Idee”, erklärte sie den schmerzlichen Inhalt von eben dieser Idee, wer sie hätte sein könnten, müssen, wenn sie hätte sein dürfen. Der Beitrag brachte ihr vom Publikum 44 Punkte ein.

Morgaine Prinz aus Düsseldorf. Foto: Lutz Wulfestieg

Der vierte Poetry Slammer des Abends war Malte Küppers aus Duisburg, der das Publikum aus der Tragik abholte und sie mitten in den derben Ruhrpott-Witz führte. Sein Vortrag nahm Alltagserlebnisse aus seinem Leben als Schulsozialarbeiter in Duisburg als Vorlage und unterlegte sie mit zum Teil derben, unter die Gürtellinie gehenden, Witzen. “An der Gesamtschule an der ich arbeite spucken sich die Jugendlichen zur Begrüßung ins Gesicht”, baute er die geplanten Schulöffnungen mit in seinen Vortrag ein und zeigte auf die Absurdität der Einhaltung der Hygieneregeln. Das Publikum belohnte ihn mit 51 Punkten.

Malte Küppers aus Duisburg. Foto: Lutz Wulfestieg

Die zweite ‘Chance’

Eine Vorauswahl wurde in der ersten Runde nicht getroffen. Jeder Poetry Slammer konnte seine Gesamtwertung in einer zweiten Runde verbessern oder schlimmsten Falls verschlechtern. Jean-Philippe Kindler konnte das Publikum auch in der zweiten Runde mit seinem Text “Wellness-Syndrom” überzeugen, wenn er auch mit 49 Punkten nicht an seinen ersten Vortrag heran kam. Luca Swieter war spritzig, wie in ihrem ersten Vortrag und griff spielerisch das Thema Sexismus auf, dass sie in ein altbekanntes von ihr modernisiertes Märchen packte. Sie konnte sich zur Vorrunde um 1 Punkt verbessern und kam auf 38 Punkte. Morgaine Prinz griff die ‘Gründe, die Wohnung nicht zu verlassen und den wahren Freund an ihrer Seite’ im zweiten Vortrag auf, der weniger Tragik in sich trug und den wahren Freund an ihrer Seite aufgriff. Das Publikum wertete ihren Beitrag mit 43 Punkten. In Malte Küppers zweiten Beitrag ging es um ein Loblied aufs Handwerk und um seine Wurzeln in einer Handwerker Familie, von deren Talenten er nur wenig geerbt hatte. 44 Punkte gab es dafür vom Publikum.

Das Finale

“Mit Eurem Sexismus müsst ihr jetzt selber klarkommen”, kommentierte Moderator Jan Schmidt das Ergebnis der zusammengezählten Punkte. Im Finale standen schließlich Jean-Philippe Kindler und Malte Küppers.

Jean-Philippe widmete seinen Vortrag der ‘Karma-Kritik’ und kam zu dem Fazit ‘Karma ist faul’. Anders als in den Vorrunden gab es keine Wertung nach dem Einzelvortrag und Malte Küppers schloss direkt mit der Frage ‘Darf ich Dich ins Becken stoßen’ an, in der es um Dates und eine Aversion gegen Schwimmbäder ging.

Anschließend stimmte das Publikum mit ‘allem was die Autos hergaben’ nacheinander für die beiden Poetry Slammer ab. “Den zweiten Platz belegt Malte Küppers”, begann Jan Schmidt mit dem Poetry Slammer, die nicht der Sieger des Abends wurde, um dann den verdienten Sieger Jean-Philippe ins Rampenlicht zu holen. Der dankte es nicht nur dem Publikum, sondern bat um ein Lichthupenkonzert als Dank für den Moderator.

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