Die dritte Sondersitzung des Rats in diesem Sommer

Sondersitzung des Rats am 18. August 2020. Foto: RG

Grund: Der Beschluss über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens ‘Erbbaurecht Neanderhöhe’, der sich durch einen Zählfehler in der Ratssitzung vom 16. Juni 2020 ins Gegenteil verkehrte.

In unserem Artikel ‘Bürgerentscheid kommt – Bürgerentscheid kommt nicht’ hatten wir ausführlich über die Ratssitzung und das am Folgetag korrigierte Ergebnis berichtet. Während die Bürgerinitiative inzwischen den Klageweg beschreitet, fand am Montag noch einmal eine Sondersitzung des Rates statt, in der das Thema aufgearbeitet wurde.

Die Tagesordnung war entsprechend kurz. Unter Top 2 sollten Einwendungen gegen die Fassung der Niederschrift über die 46. Sitzung des Rates am 18.06.2020 (öffentlicher Teil – ein Teil war für den nichtöffentlichen Teil der Sitzung vorgesehen) diskutiert werden und unter Top 3 sollte auf Antrag der Grünen eine erneute Abstimmung der Zulässigkeit erfolgen. Aber es kam anders.

Auch die Vertreter der Bürgerinitiative waren vor Ort, um der Diskussion zu folgen, die sich unter Top 2 in erster Linie um Formalien drehte. Reinhard Knitsch bemängelte das in der Ratsitzung vom 18. Juni gegen Peter Knitsch ausgesprochene Redeverbot. In der vorliegenden Niederschriften seien die Äußerungen nur subjektiv dargestellt. Der Redebeitrag habe sich sehr wohl auf die Zulässigkeit des Bürgerentscheids bezogen. “Ich bitte darum, Redebeiträge künftig wortwörtlich wiederzugeben, um eine gerichtliche Überprüfung zu ermöglichen.” Das wäre auch in Bezug auf die in Frage stehende Abstimmung sinnvoll gewesen, da aus seiner Erinnerung der Bürgermeister die Zulässigkeit des Bürgerentscheids nach der Abstimmung festgestellt habe.

Es folgte eine Diskussion über das, was in besagter Ratssitzung nun von wem und in welcher Weise gesagt wurde und ob unter den gegebenen Bedingungen die Abstimmung rechtlich so überhaupt zulässig gewesen ist. Gemeint war die Pairing-Vereinbarung, die die Fraktionen im Zusammenhang mit Corona trafen und von der in dieser Sitzung abgewichen wurde. Bernhard Osterwind befand die ganze Abstimmung als unglücklich. Schließlich waren BmU Mitglieder in der Ratssitzung nicht anwesend, weil man sich auf die getroffene Vereinbarung verlassen habe. Wolfgang Jöbges erinnerte daran, dass das vereinbarte Abstimmungsverfahren, bis auf dieses eine Mal immer funktioniert habe.

Bürgermeister Christoph Schultz, der sich den verbalen Angriffen verschiedener Ratsmitglieder ausgesetzt sah, machte darauf aufmerksam, dass man an diesem Tag ihm die schwierige Entscheidung zugewiesen habe, die tatsächlich abgegebenen Stimmen mit den fiktiven des Pairing-Abkommens abzugleichen. Detlef Ehlert erläuterte noch einmal, wie es dazu kam, dass die SPD in der Sitzung abweichend zur Vereinbarung handelte.

Fast eineinhalbstündige Diskussion

In der sich hinziehenden Diskussion fielen Worte wie ‘das wimmelt von Verfahrensfehlern’ und ‘es müsste komplett neu abgestimmt werden’, über ‘sollten Ratssitzungen aufgezeichnet werden’ und ‘es lässt sich ja kaum noch nachvollziehen, wer in dieser Sitzung wie abgestimmt hat’. Letzteres konnte Christoph Schultz entkräften, der deutlich benennen konnte, wie die anwesenden Ratsmitglieder gestimmt hatten und wie es dann mit den fiktiv hinzugerechneten Stimmen zu dem Zählfehler kam, um den sich am Dienstag alles drehte.

Die Verwaltung hatte vor der Sondersitzung vorsichtshalber die Kommunalaufsicht um eine Einschätzung gebeten. Die Antwort machte deutlich, dass eine erneute Abstimmung, wie die Grünen sie forderten, ausscheidet. Und so wurde schließlich nach eineinhalbstündiger Diskussion der Beschlussvorschlag der Verwaltung abgestimmt, der folgenden Wortlaut hatte: “Der Rat beschließt wegen der Unzulässigkeit einer erneuten Abstimmung die Absetzung des Tagesordnungspunktes.”

Der Rat folgte diesem Beschluss gegen die Stimmen von Grünen, BmU, Sabine Lahnstein und Jürgen Rieder.

Der Vertreter der Bürgerinitiative waren – ob der langwierigen Diskussion über Formalien – entsprechend emotional aufgeladen. Rederecht hatten sie in der Sitzung nicht und so nutze Elmar Stertenbrink die Einwohnerfragestunde, in der aber auch nur Fragen stellen durfte, um eine Frage für die Zukunft zu platzieren. “Ist dieser Stadtrat beziehungsweise die Kandidaten, die für die Wahl des Stadtrats antreten, gewillt eine Planstelle für Bürgerbeteiligung einzurichten, die Bürger bei Bürgerentscheiden begleitet und bei Offenlegungen unterstützt? Würden Sie einem solchen Antrag zustimmen?”, wollte er wissen. Andreas Kuchenbecker machte vom Recht als Ratsmitglied zu antworten Gebrauch. “Die Bedürfnisse der Bürger sind nachvollziehbar. Ich schäme mich einem Stadtrat anzugehören, der so ein Bild seinen Bürgern gegenüber abgibt. Ich werde mich persönlich dafür einsetzen, dass sich das ändert”, versprach er.

Anmerkung der Redaktion:
Wäre RatsTV eine Alternative, um Sitzungen nachvollziehbar zu machen?
Wortwörtliche Protokolle sind aufgrund langer Redebeiträge nur schwer umsetzbar. Viele Städte setzen deshalb auf RatsTV.
Ein Mitschnitt der Ratssitzungen in Wort und Bild könnte ein hilfreiches Instrument für Verwaltung und Rat sein, wenn es einmal Unstimmigkeiten zum Ablauf gibt. Auch Bürger hätten so die Möglichkeit ohne persönliche Teilnahme an den Sitzungen, dem Sitzungsverlauf zu folgen.
Siehe Beispiel Solingen …
Die kreisangehörige Stadt Monheim überträgt nicht nur Ratssitzungen, sondern auch Ausschusssitzungen.
Was denken unsere Leser über eine solche Alternative?

2 Kommentare

  1. Ich finde die Anregung sehr gut. Sie würde verschiedene Vorteile miteinanderverbinden: nicht nur wer etwas sagt, sondern auch das Agieren der Ratsmitglieder in den Sitzungen, welches leider nicht immer respektvoll und souverän ist. Letztlich fällt das Fehlverhalten einer Person immer auf sie selbst zurück, aber je öffentlicher eine Sitzung ist, desto größer ist die Außenwirkung. Natürlich auch inhaltlich.
    Sabine Georg

  2. Erneut vielen Dank an die Redaktion von erkrath.jetzt für die politisch unabhängige und exakte Berichterstattung. Gleiches Thema findet sich hier, ohne dass „die Mehrheit“ irgendwie näher beschrieben wird:

    https://rp-online.de/nrw/staedte/erkrath/neanderhoehe-erkrath-buergerbegehren-bleibt-unzulaessig_aid-52850993

    Es ist bedauerlich, wenn sich professioneller Journalismus zugunsten jahrzehntealter Seilschaften durch Desinformationen und Weglassungen auszeichnet. Nun wissen wir, dass “die Mehrheit“ eben gerade nicht aus allen anderen Fraktionen besteht, sondern wie üblich der Erkrather GroKo.

    RatsTV bitte analog Monheim einführen. Je mehr Öffentlichkeit, desto besser für die Demokratie und schon allein den erschreckenden Umgangston der Ratsmitglieder untereinander. Bürger müssen so bei Interesse nicht vor Ort sein wie im letzten Jahrhundert, sondern können auch im Nachgang einzelne Punkte digital aufgezeichnet nachverfolgen. Gleichen Nutzen haben Ratsmitglieder, Verwaltung, Presse und alle anderen.

    Dass einzelne Ratsmitglieder möglichst wenig Öffentlichkeit wünschen, mag aufgrund des eigenen Auftretens durchaus verständlich sein. Dann sind sie jedoch fehl am Platze in einem öffentlichen Amt in öffentlichen Sitzungen einer Demokratie. Das öffentliche Interesse in einer Demokratie dürfte hier ein deutlich höher zu gewichtendes Gut darstellen, als persönliche Pläsierchen Einzelner.

    Öffentlichkeit, Digitalisierung und Bürgernähe sind in Erkrath bis dato leider oftmals unerwünschte und böhmische Dörfer, sodass es ein RatsTV allenfalls nach einem deutlichen Politikwechsel geben wird. Blaupause dazu siehe Monheim und andere Kommunen, die bestens ohne das überholte Farbenspiel und deren politischer Sandkastenspiele auskommen.

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