CO-Pipeline: “Wunderliche Wendung”

v.l. Dieter Donner (Sprecher der Initiative "Stopp-CO-Pipeline), Familie Roth, Landrat Thomas Hendele und Wolfgang Cüppers sowie Birgit Winandy von der IG Erkrath waren in Münster zum Prozessauftakt/ Foto: Tanja Bamme

Seit rund 13 Jahren wird hitzig über die Inbetriebnahme der Co-Pipeline, die auch durch Erkrather Boden verläuft, gestritten. Am heutigen Mittwoch fiel der Startschuss für die nächste Verhandlungsrunde.

Das Oberverwaltungsgericht Münster stieg Corona-bedingt in der Aula des Fürstbischöflichen Schlosses Münster in die nächste Instanz gegen die CO-Pipeline der ehemaligen Bayer-Tochter Covestro ein. Dort ließen sich die Hygienemaßnahmen auf Grund des Besucherandrangs besser umsetzen.

Die Vorgeschichte des Verwaltungsrechtsstreits ist lang und komplex. Verhandelt wird zum wiederholten Male über die Berufungen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf von vor neun Jahren. In diesem „Leitverfahren“ haben betroffene Grundstückseigentümer aus dem Kreis Mettmann, darunter auch Familie Roth aus Hilden, gegen den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Düsseldorf in erster Instanz erfolgreich geklagt. Grund für diese erfolgreiche Klage waren seinerzeit ungeklärte Fragen zur Erdbebensicherheit.

Lebensgefahr für Mensch, Tier und Natur

Die insgesamt 67 Kilometer lange Rohrleitung verläuft rechtsrheinisch und soll künftig gasförmige Kohlenmonoxid (CO) von Dormagen nach Krefeld transportieren. Für die Kläger stellt diese Trasse eine Lebensgefahr für Mensch, Tier und Natur dar. „Das Rohrleitungssystem verläuft unter meinen Wohnzimmerfenster und macht einen Knick um das Haus herum“, erläutert Claudia Roth, deren Eltern als Grundstückseigentümer klagen. Von Anfang an begleitet sie den Prozess, hat Höhen und Tiefen der vergangenen Rechtsprechungen miterlebt.

Letztlich blieb nach der erfolgreichen Klage jedoch ein gutes Gefühl, das im Zuge des ersten Verhandlungstages vorerst verloren ging. „Denn die Verhandlung hat für uns eine wunderliche Wendung genommen. Vorher wurde seitens der Richter harsche Kritik an der Bezirksregierung und dem Unternehmen Covestro ausübt, davon war heute im Gerichtssaal nicht mehr viel zu spüren“, fasst Claudia Roth ihre Eindrücke zusammen, die sie an der Aussage des vorsitzenden Richters Dirk Lechtermann ausmachte. So gab dieser an, dass das Gericht nicht mehr von einer Verfassungswidrigkeit ausgehe. Zum Hintergrund: 2011 sah der Sachverhalt noch anders aus. Das OVG Münster zweifelte den 2007 gefassten NRW-Landtagsbeschluss des neuen Rohrleitungs-Gesetzes an, welches als Grundlage für Enteignungen von Grundstücken diente. Das Verfahren wurde zum Verfassungsgericht nach Karlsruhe überführt, dort aber abgeschmettert.

Sicherheitsaspekte werden morgen beleuchtet

In der heutigen Auftaktveranstaltung wurde mitunter der Sachverhalt dargestellt, über eventuelle Verfahrensfehler diskutiert und die Beteiligung der Öffentlichkeit kritisch hinterfragt. Die Klägeranwälte warfen dem Unternehmen vor, die Öffentlichkeit „ganz bewusst ausgeschlossen“ und Gutachten nicht ausgelegt zu haben. Ein Vorwurf, der von der Gegenseite entschieden zurückgewiesen wurde. Doch auch Richter Lechtermann übte Kritik an den ausgelegten Dokumenten. Dass es sich bei diesem Vergehen aber lediglich um einen „relativen“ Verfahrensfehler handelt, gab er ebenfalls an. Nur bei einem absoluten Fehler könnte der Planfeststellungsbeschluss überhaupt gekippt werden.

Der eigentlich spannende Punkt wird für morgen erwartet. „Denn dann geht es um die Sicherheitsaspekte, die aus unserer Sicht nicht ausreichend beleuchtet wurden“, erklärt Dieter Donner. Der Sprecher der Initiative „Stopp-CO-Pipeline“ ist nach eigenen Aussagen „vom Pferd gefallen“, als er dem Verhandlungsverlauf folgte und rechnet gedanklich schon mit Revisionsschritten. „Die Klägeranwälte haben bereits deutlich gemacht, sollte der Planfeststellungsbeschluss nicht aufgehoben werden, die nächste Instanz einzuläuten“, so Donner, der zu keinem Kompromiss bereit ist. „Über Leben und Tod kann man nicht verhandeln“, argumentiert er. Sollte nicht zu Gunsten der Kläger entschieden werden und eine Revision zulässig sein, würde der Prozess vor dem Bundesverwaltungsgericht fortgeführt werden.

Unterstützung von Kreisseite

Unterstützung für die Klägerseite gab es heute auch von Kreisebene. Den Verhandlungstagen in Münster sieht beispielsweise Landrat Thomas Hendele mit dem Wunsch entgegen, “dass der umfangreiche Klagevortrag mit zahlreichen juristischen und technischen Argumenten den Klagen auch in zweiter Instanz zum Schutz der Bevölkerung des Kreises Mettmann zum Erfolg verhilft”.  Und auch Wolfgang Cüppers und Birgit Winandy von der Interessengemeinschaft Erkrath nahmen persönlich an der Auftaktveranstaltung teil. „Ich bin schwer enttäuscht, dass das OVG Münster nicht mehr von einer Verfassungswidrigkeit ausgeht. Es kann nicht sein, dass unternehmerisches Handeln vor Menschenleben steht. Wir werden die Kläger auch weiterhin unterstützen und hoffen auf ein Ende zu Gunsten der Menschen und der Natur“, fasst Wolfgang Cüppers seine Stellungnahme zusammen.

Wissenswertes: Morgen wird weiter verhandelt. Ein Ergebnis wird frühestens für Freitag erwartet. Die umfangreiche Historie der CO-Pipeline lässt sich auf der Internetseite der Interessengemeinschaft Erkrath nachlesen.

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